Kreislauffähigkeit in der Landschaftsarchitektur

BSLA-Standpunkt:

Kreislauffähigkeit

Der BSLA engagiert sich als massgebender Berufsverband der Landschaftsplanung, -gestaltung und -pflege für eine hochstehende Baukultur mit dem übergeordneten Ziel eines zukunftsfähigen und nachhaltig gestalteten Lebensraums von hoher Qualität. Die Stärkung der Kreislaufwirtschaft trägt wesentlich zum Klimaschutz und zur Ressourcenschonung bei. Der BSLA engagiert sich für die Anpassung der gesetzlichen Grundlagen, Planungsinstrumente und Normen, er sensibilisiert seine Mitglieder für die Thematik und informiert regelmässig über aktuelle Entwicklungen.

 

Ziele und Handlungsempfehlungen

1.  Den Bestand wertschätzen und erhalten

Im Geiste der Kreislauffähigkeit ist es heute mehr denn je angezeigt, das Vorhandene als Artefakt wertzuschätzen. Der Bestand ist immer das Ergebnis einer Überlagerung von historisch einmaligen Einflüssen. Topografie, Boden, die Artenzusammensetzung generell und alte Bäume im Besonderen, Spolien, etc. sind das Resultat vergangener Nutzungskreisläufe. Sie machen Geschichte lesbar.
Wichtig ist daher ein sorgfältiger, wertschätzender Umgang mit den ursprünglichen Gestaltungsabsichten, mit den Ergebnissen jahrzehntelanger Kreislaufprozesse und insbesondere mit alten Bäumen. Kreislauffähige Landschaftsarchitektur muss zuallererst den Bestand als eigene Qualität und Teil des «Genius Loci» lesen, wertschätzen und interpretieren. Veränderungen und Eingriffe sind auf ein Minimum zu beschränken, mit dem baulichen Bestand und der vorhandenen Vegetation ist ein bewusster Umgang zu pflegen.

2. Demontierbarkeit und Recyclingfähigkeit gewährleisten

In jedem Bauprojekt stecken Materialien und Rohstoffe, die nach einem Abriss nicht entsorgt werden müssten. In einem geschlossenen Rohstoffkreislauf nach dem Vorbild der Natur können sämtliche Rohstoffe eines Elements nach dem Nutzungszeitraum zu hundert Prozent im Kreislauf verbleiben und wiederverwendet werden. In diesem Sinne sind auch in Landschaftsarchitekturprojekten die sortenreine Demontierbarkeit und die Recyclingfähigkeit von Baumaterialien bereits in der Planung als integraler Entwurfsbestandteil mitzudenken. Wiederverwertbare Materialien sollen problemlos identifiziert, aussortiert und wieder in den Stoffkreislauf gegeben werden können. Dies ist bei Materialien natürlichen Ursprungs im Normalfall leichter zu gewährleisten als bei synthetischen Materialien. Mit einer konsequenten Wiederverwertung lassen sich auch unnötige Transportwege vermeiden.

3. Digitale Ressourcenpässe für ein verbessertes Ressourcenmanagement etablieren

Kreislauffähige Materialien können in sogenannten Materialpässen inventarisiert und dokumentiert werden. Die Daten aus Materialpässen ermöglichen die Minimierung von Bauabfällen, dieser Prozess lässt sich bereits in der Detailplanung vorspuren. Doch künftig müssen wir noch weiter gehen: Es gilt, über die baulichen Aspekte hinaus in Kreislaufsystemen zu denken, denen von der Materialproduktion über die Energieerzeugung bis zur Abfallwirtschaft zirkuläre Prozesse zugrunde liegen. Hierfür ist ein umfangreicher digitaler Datenbestand unabdingbar. Durch neue BIM- und LIM-Methoden (LIM steht für Landschafts-Informationsmodell) lassen sich diese Daten bereits im Entwurfs- und Planungsprozess integrieren. So kann Kreislauffähigkeit auf belastbare Daten abgestützt und quantifiziert werden – mit Ökobilanzmethoden und Zirkularitäts-Indices, welche in der Schweiz bereits zur Verfügung stehen.

4. Ökologische, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Werte beachten

Bei der Anwendung der Grundsätze der Kreislaufwirtschaft auf unsere Wirtschafts- und Wertesysteme muss der Schwerpunkt verlagert werden: von rein marktwirtschaftlichen Werten in Richtung ökologischer, kultureller und sozialer Werte und der damit zusammenhängenden Fragen, beispielsweise zur Suffizienz. Im Rahmen der Projekte, die wir planen, entwerfen und bauen, ist es auch Aufgabe der Landschaftsarchitektur, den Diskurs über Kreisläufe und die sich daraus ergebende neue Dynamik von Planung und Organisation zu führen. Die zurzeit lebhafte Diskussion um die Landschafts- und Baukultur, die unter anderem von der Initiative der «Davos Baukultur Allianz getragen wird, sollte um diese Aspekte ergänzt werden.

5. Partizipative und konzeptionelle Vielfalt in der strategischen Planung ermöglichen

Kreislauffähigkeit bedarf interdisziplinärer Innovation und Kreativität und führt im Idealfall zu multiformen und unkonventionellen räumlichen und baulichen Lösungen. Ein offener Dialog mit allen Beteiligten (öffentliche Hand, private Stakeholder, Bevölkerung, etc.) kann die ästhetische Vielfalt fördern. Damit das gelingt, ist es wichtig, die Vorteile der Kreislaufwirtschaft auf lokaler und regionaler Ebene aufzuzeigen: Ganzheitliche strategische Entwicklungen können nicht nur die regionale Identität stärken, sondern auch landschaftliche Qualitäten verbessern. Hierfür gibt es in Europa bereits gelungene Beispiele. So wurden etwa in Südtirol, Vorarlberg und Baden-Württemberg makroökonomische Wertschöpfungsketten in der Landwirtschaft, der Holzindustrie und im Baugewerbe in Abstimmung mit der langfristigen Raumplanung und Raumentwicklung kreislauffähig gedacht und gemacht.

6. Kreislaufwirtschaftsprinzipien über alle Phasen umsetzen

Kreislauffähigkeit bedingt eine konsequente Anwendung der Prinzipien der Kreislaufwirtschaft durch alle Phasen von Landschaftsprojekten hindurch: von der Analyse des Bestands und den ersten Visionen und Strategien über die Entwicklung des Konzepts, den detaillierten Entwurf und die Spezifikationen bis hin zur Ausführung und Pflege.
Um die Umsetzung kreislauffähiger Projekte zu fördern, empfiehlt es sich, auch bei den gesetzlichen Instrumenten anzusetzen, beispielsweise durch neue Wege im Beschaffungswesen oder bei der Gewährleistung. Die Vision der Kreislaufwirtschaft muss sich auf die (flexible) Nutzung, die Funktion, den Betrieb und die Instandhaltung all unserer

Freiräume erstrecken – von weitgehend naturbelassenen Landschaften bis zu urbanen Siedlungslandschaften und basierend auf den drei Prinzipien: Repurpose – Reprogram – Reuse.

Der Kreislaufwirtschaft ist auch das BSLA-Jahrbuch Anthos 2024 gewidmet.

BSLA-Standpunkt Kreislauffähigkeit