Albert ist gegangen!

Ein Nachruf auf Albert Zulauf , Landschaftsarchitekt BSLA
(18. 12. 1923 – 28. 3. 2021)

von Peter Paul Stöckli

Am 1. Juni 2012 wurde Albert Zulauf anlässlich der damaligen Generalversammlung des BSLA die Ehrenmitgliedschaft verliehen, eine späte Ehrung, die er sich durch seinen Einsatz für unseren Beruf längst verdient hatte. Der Schreibende wurde vom Vorstand mit der Laudatio beauftragt, einem Wunsch dem ich als ehemaliger Mitarbeiter von Albert sehr gerne nachkam. Albert Zulauf war im eigentlichen Sinne des Wortes mein Lehrmeister -bei ihm habe ich das Handwerk des Landschaftsarchitekten gelernt. Nun ist Albert gegangen und ich habe die traurige Ehre auch seinen Nachruf zu schreiben.

Kindheit, Jugend und Gärtnerlehre

Albert Zulauf wurde im Jahre 1923 als Sohn eines Ingenieurs geboren. Als er sieben Jahre alt war, zog die Familie nach Neuhausen, wo ihm – wie er selbst formulierte – sein Schicksal in der Person von Gartenarchitekt Walter Mertens (1885 – 1943) begegnete. Walter Mertens  gestaltete zu der Zeit den architektonischen Nachbarsgarten der Familie Zulauf und weitere eindrückliche Schaffhauser Villengärten. Gärten, denen Albert beim Besuch seiner Pfaderfreunde oft begegnete und die ihm Eindruck machten.

Es war deshalb nur folgerichtig dass die Gärtnerei sein Berufswunsch wurde. Er erhielt eine begehrte Lehrstelle in der Herrschaftsgärtnerei und Parkanlage der Fabrikantenfamilie Homberger-Rauschenbach auf dem Rauschenbachgut auf Rammersbühl in Schaffhausen. Hier kam Albert in noch näheren Kontakt zu Walter Mertens. Dieser hatte den Gutspark geplant und beriet den Obergärtner und die Herrschaft anlässlich von jährlichen Rundgängen hinsichtlich Pflege und Weiterentwicklung. An diesen Besuchen von Mertens im Park durfte  der Gärtnerlehrling Albert jeweils ebenfalls teilnehmen. Dabei verdichtete und klärte sich auch sein Berufswunsch: er wollte selber Gärten gestalten!

Seine Lehrzeit von 1940 bis 1943 schloss er mit Bravour ab. Er erhielt in der Herrschaftsgärtnerei eine alle Berufszweige umfassende gärtnerische Universalausbildung., ein Wissens- und Erfahrungsschatz der sich auf sein ganzes Berufsleben auswirkte.

Weiterbildung und erste Berufspraxis als Landschaftsarchitekt

Sein nächster Schritt auf seinem Ausbildungsweg wurde im Jahre 1944 der Eintritt in das Büro eines weiteren grossen Meisters der Schweizer Landschaftsarchitektur, Gartenarchitekt Ernst Cramer  (1898 – 1980). Albert Zulauf arbeitete als Zeichner und Bauführer und sein direkter Vorgesetzter war  ein dritter Grosser, Gartenarchitekt Willy Neukomm (1917 – 1983). Albert Zulauf arbeitete in dieser Zeit u.a. während zwei Jahren im Tessin, wo er Projekte von Cramer realisierte. Dazu arbeitete er weiter an seiner Ausbildung mit dem Besuch von Kursen und Vorlesungen an der Volkshochschule und an der Kunstgewerbeschule. Ausserdem erwarb er das Eidgenössische Diplom als Gärtnermeister-Gartengestalter. Im Jahre 1955 wurde er schliesslich als jüngstes Mitglied in den damaligen BSG (Bund Schweizer Gartengestalter) heute BSLA, aufgenommen.

Mit viel Erfahrung und guter Ausbildung erhielt Albert Zulauf 1949 eine Stelle als Gartenarchitekt beim Zürcher Gartenbauunternehmen Mertens & Nussbaumer. wo er nach wenigen Jahren zum Prokuristen und Chef der Planungsabteilung befördert wurde. Zeitweise leitete er auch interimistisch die gesamte Firma, also auch die Baumschule und den Gartenbaubetrieb.

Das  geografische Arbeitsgebiet bei seiner planerischen Tätigkeit war die Nordwestschweiz mit dem Aargau als Schwerpunkt. Deshalb verlegte er und seine Familie den Wohnsitz nach Baden.

Die Arbeiten des Büros Zulauf

Im Jahre 1961 wagte Albert Zulauf den grossen Schritt in die Selbständigkeit als freischaffender Garten- und Landschaftsarchitekt und eröffnete in Baden sein Büro. Da er hier aufgrund seiner früheren Tätigkeit kein Unbekannter war, gelang es ihm bald anspruchsvolle Aufträge und Auftraggeber zu gewinnen. Viele Aufträge bearbeitete er für das Industrieunternehmen BBC (Brown, Boveri &Co.AG) heute ABB. Die Freiraumgestaltung zum Forschungszentrum der BBC in Dättwil war die wichtigste und meistbeachtete Aufgabe für den Weltkonzern.

Ein ganz besonderes Gebiet seiner Arbeit war die Gestaltung von Lebensräumen für Zootiere. Während dreissig Jahren arbeitete er im Auftrage des legendären Direktors, Prof. Dr. Heini Hediger (1908 – 1992) für den Zoo Zürich. Hediger war ein Pionier der artgerechten und tierpsychologisch orientierten Zootierhaltung und Albert Zulauf realisierte mit ihm zusammen die Gehege. Die neuen Tiergehege waren nun nicht mehr länger sterile Guckkästen, in denen Tiere ausgestellt wurden, sondern wirkliche Lebensräume, eine Auffassung die sich inzwischen durchgesetzt hat und die heute im Zürcher Zoo in teilweise spektakulärer Weise vorbildlich praktiziert wird.

Ein Arbeitsgebiet das für die Aargauer Landschaftsarchitekten von grosser Bedeutung wurde, ist die Landschaftpflegerische Begleitplanung von Strassenräumen. Eine Aufgabe die im überwiegend dicht bebauten Kanton Aargau wichtig geworden ist und heute weitgehende Akzeptanz geniesst  Dabei ging und geht es nicht nur um die Gestaltung von Strassenräumen in der freien Landschaft, sondern auch um die Ortskerne, welche von neuen oder ausgebauten Strassen betroffen wurden. Auch hier gehörte Albert Zulauf zu den Pionieren. Er knüpfte die ersten Kontakte  zu den zuständigen Beamten und Ingenieuren und überzeugte sie von Wert und Bedeutung der landschaftspflegerischen  Begleitplanung.

Den grössten fachlichen Entwicklungsbeitrag leistete Albert Zulauf auf dem Gebiet des Friedhofwesens. Er plante und gestaltete über 20 Friedhöfe. Seine Arbeit war stark beeinflusst von der skandinavischen Friedhofskultur, auf welch er und einige Kollegen anlässlich einer Studienreise des BSG aufmerksam wurden. Besonders deutlich wird dies bei den zwei vollständig neu gebauten Friedhöfen von Böttstein/AG und Untersiggenthal/AG, welche von Albert Zulauf beide in einem Wald angelegt wurden. Er pflegte ein ganzheitliche Betrachtung des Friedhofes als Gesamtkunstwerk. Dazu gehörte die Entwicklung von Räumen mit pflanzlichen Mitteln, die Architektur der Friedhofgebäude auf die er starken Einfluss nahm, sowie der Einsatz künstlerischer Mittel. Dazu gehörte aber auch die Gestaltung von Grab und Grabmal welche er bis in die Friedhofsreglemente hinein klar regelte. Besondere Aufmerksamkeit schenkte er der Grabmalkunst. Mit Willy Neukomm und weiteren Gleichgesinnten suchte er in seinem Streben nach Qualität den Kontakt zu Bildhauern der Schweiz um eine gemeinsame Sprache und eine Verständnisebene zwischen Gartenarchitekten und Bildhauern zu schaffen. Die gemeinsame Haltung wurde zudem in Broschüren dokumentiert. Betrachtet man die allermeisten heutigen Grabmäler und vergleicht diese mit den Werken jener Zeit, wird deutlich welcher Niedergang in dieser Kunstgattung stattgefunden hat.  Die Frucht der Anstrengungen jener Jahre ist die Tatsache, dass Planung und Gestaltung von Friedhöfen heute in der Schweiz unbestritten ein Aufgabengebiet des Landschaftsarchitekten ist. Dass dem so  ist, daran hat Albert Zulauf als Protagonist einer neuen Friedhofskultur entscheidenden Anteil.

In den späteren Jahren richtete Albert Zulauf sein Interesse zunehmend auch auf die Thematik der Historischen Gärten. Er arbeitete mit an der ersten ICOMOS-Liste der Historischen Gärten und Anlagen des Kantons Aargau. In seinem Büro wurde das erste Parkpflegewerk für die Domäne Königsfelden in Windisch erarbeitet und die Umsetzung eingeleitet. Ein Werk und eine Aufgabe die heute von seinem Sohn Rainer fortgesetzt wird.

Selbstverständlich bearbeite Albert Zulauf mit seinem Büro auch traditionelle Aufgaben. Davon zeugen Schulanlagen, Sportanlagen, Parke und Privatgärten. Gerade in den Privatgärten kam sein immenses Pflanzenwissen und seine Freude an schönen Gehölzen und Stauden zum Ausdruck. Albert Zulauf gestaltete gerne mit Pflanzen. Er spürte die Sprache und den Charakter der einzelnen Pflanze. Die Pflanzen waren ihm immer mehr als blosse Bauteile für den Freiraum, sondern Individuen die es in ihrer Eigenart zu erkennen und zur Geltung zu bringen galt. Was wenige wissen: Albert Zulauf war ein vorzüglicher Zeichner. Seine Pflanzenzeichnungen sind von wissenschaftlicher Genauigkeit und Ausdruckskraft.

Arbeit für den Berufsstand und für ANTHOS

Sein Einsatz für den Beruf schlug sich nicht nur in den Aufträgen und Projekten, sondern auch im Einsatz für den Berufsstand nieder. Er war Mitglied des Vorstandes des BSG und gründete zusammen mit Landschaftsarchitekt Eugen Moser, Lenzburg (1917 – 2000) und dem Schreibenden die Regionalgruppe Aargau des BSG/BSLA, deren Vorsitzender er  mehrmals war. Aus Sicht des Berufsverbandes war seine grösste Leistung jedoch das Präsidium der Redaktionskommission der .Fachzeitschrift ANTHOS von 1965 bis 1975. Der legendäre, im Teilzeitpensum arbeitende Redaktor von ANTHOS war Heini Mathys (1917 – 1983). Aber Albert Zulauf war aber der eigentliche Chefredaktor und Herausgeber. Er entwarf die Redaktionsprogramme, war Autor von Beiträgen, Inserateakquisiteur und Verhandlungspartner mit dem Verlag und der Druckerei. Unter dem Termindruck des Redaktionsschlusses wurden nicht selten auch die Mitarbeiter in die Arbeit für ANTHOS eingespannt.

Die Nachfolger

Im Jahre 1989 übergab Albert Zulauf seinem Sohn Rainer Zulauf und den leitenden Mitarbeitern Max Läng und Kurt Wernli das Büro und pensionierte sich. Nach einer kurzen Zeit der Mitarbeit unter den neuen Inhabern zog sich Albert ganz zurück, nahm aber an der Arbeit seiner Nachfolger regen Anteil. Aber auch im “Ruhestand” blieb er sich selbst: eher unruhig, stets fachlich interessiert, aufmerksam das Geschehen rund um  das Berufsfeld beobachtend und kommentierend. Der Schreibende erinnert sich noch genau an seine Zeitungsausschnitte zu aktuellen Planungsthemen, welche er, mit Unterstreichungen, Ausrufezeichen und Bemerkungen versah und welche er meist als Aufforderung zu einer Aktion oder Intervention verstand. Lange über seine Pensionierung hinaus, nahm er an den Sitzungen der Regionalgruppe teil. Auch hier war er nicht stiller Beobachter, sondern Kritiker und Ideengeber. Zu den Nachfolgern im weiteren Sinne gehören sicher auch seine zahlreichen ehemaligen Mitarbeitenden. Aus der lückenhaften Erinnerung seien einige Namen genannt: Dieter Supthut, der spätere Leiter der Zürcher Sukkulentensammlung; Bernd Wengmann, später freischaffender Landschaftarchitekt; Dieter Kienast, damals Praktikant, später freischaffender Landschaftsarchitekt und ETH-Professor; Ottomar Lang, später freischaffender Landschaftsplaner und Fotograf; Rudolf Bläuenstein, später Stadtgärtner von Lugano, Peter Wullschleger, später Geschäftsführer des BSLA; Kurt Wernli, später Friedhofleiter von Aarau; Max Läng, später hauptberuflicher Kommunalpolitiker.

Der Mensch Albert Zulauf

Albert Zulauf war von seinem Beruf begeistert, er drückte seine Begeisterung lebhaft aus und begeisterte damit auch Andere. Das Wort der deutschen Kanzlerin – “Wir schaffen das!” – hätte von ihm sein können. Der Schreibende hat ihn nie resigniert erlebt, sondern immer willensstark und optimistisch. Aber, das muss auch gesagt sein, Albert konnte auch ein grimmiger Spötter sein! Zudem war er in den frühen aktiven Jahren ein starker Raucher. Trat er bei einem Mitarbeiter zur Arbeitsbesprechung an den Tisch, hatte er meist eine Zigarette im Mund. Während er dann, mit dem Glimmstängel zwischen den Lippen sprechend, dessen Arbeit prüfte, kommentierte oder mit schnellen Bleistiftstrichen änderte, fiel von Zeit zu Zeit das abgebrannte Ende der Zigarette auf die vor ihm liegende Zeichnung. Die Asche wischte er dann mit einer Handbewegung vom Papier, was nicht selten zum Aerger des Mitarbeitenden  Spuren auf dem Plan hinterliess.

Viel Beruf ist besprochen worden, aber das Bild wäre nicht vollständig, wenn nicht auch seine private Lebenswelt zur Sprache käme. Albert Zulauf war Ehegatte, Vater und Grossvater. Deshalb trauern um ihn seine Ehefrau Annemarie, seine Tochter Barbara, seine Söhne Dieter und Rainer mit ihren Partnern und Partnerinnen und ihren Kindern.

In der Todesanzeige schreiben die Angehörigen: “Albert, Du durftest am Sonntagmorgen friedlich einschlafen und hinterlässt eine nicht schliessbare Lücke. Weit im Denken und voller Demut, fordernd und nachsichtig, umarmend gesellig und tief stumm, grossherzig liebend. Wir sind traurig und vermissen Dich”.

Auch wir vermissen Ihn und trauern: um einen herausragenden, beispielhaften Landschaftsarchitekten, um einen grosszügigen, noblen Kollegen und um einen lieben Freund! Albert ist mit 97 Jahren endgültig gegangen, aber sein Bild und sein Vorbild, sein Wesen und Wirken bleiben. Er ruhe im Frieden!

Wettingen, 1. September 2021
Peter Paul Stöckli, Landschaftsarchitekt BSLA

Folgende Texte wurden verwendet:

  • Peter Paul Stöckli; Laudatio für Albert Zulauf. Wettingen 2012.
  • Gabi Lerch GTLA/HSR; Vom “Herrschaftsgärtner” zum landschaftsarchitektonischen Allrounder – Porträt eines innovativen Planers und Gestalters. In: ANTHOS 4/2007